12 Mai 2006

EU sorgt sich wegen „Protektionismus“ lateinamerikanischer Staaten

EURONEWS spricht Klartext: „Der wachsende Protektionismus von Bolivien und Venezuela hat den EU-Lateinamerika-Gipfel in Wien überschattet. Deren umstrittene Variante eines südamerikanischen Sozialismus hatte die EU aufgeschreckt.
EU-Außenkommissarion, Benita Ferrero-Waldner, zeigte sich besonders besorgt über die Verstaatlichung der Erdgas- und Erdölförderung in Bolivien. ....“

Weniger besorgt bzw. überhaupt nicht wird normalerweise über die Auflagen und Massnahmen der Weltbank und des IWF bei Kreditvergabe als „Wirtschaftshilfe“ für ärmere Länder berichtet.
Die Währungskurse sind dereguliert und diese Tatsache sowie die Auflagen bei der Kreditvergabe halten die armen Länder des „Südens“ für immer in der Schuldenfalle fest und verewigen die Krise. Schutzzölle, Importbeschränkungen, bzw. die subventionierten Produkte der EU und USA ruinieren die Märkte der Länder des Südens und verhindern dort den Aufbau eigener Industrialisierung und stabiler Märkte.
Oskar Lafontaine nennt bei einer Veranstaltung des Gegengipfels im Kongresshaus / Wien die 3 wichtigsten Forderungen, - als Ansatzpunkte eines gemeinsamen Kampfes gegen den Neoliberalismus - und gemeinsamen Nenner für die Bildung von Allianzen quer durch Linke aller Parteien und Zivilgesellschaft:

  • Eine Re-Regulierung der Währungskurse, um hemmungslose Spekulationen und allzu leichte Kapitaltransfers zu verhindern

  • Rücknahme von Privatisierungen der öffentlichen Ressourcen

  • Änderung der Auflagen des IWF und der Weltbank bei Kreditvergaben


Ralf Leonhard schreibt in der TAZ:
Handelsverträge werden in der Regel abgeschlossen, weil sich die Partner davon Vorteile versprechen. Beim Assoziationsabkommen zwischen dem südamerikanischen Mercosur und der EU fürchten sich die Beteiligten aber eher vor den Konsequenzen, als dass sie sich auf mögliche Segnungen freuen.
Denn: Die Europäer müssten ihre Subventionen abbauen, damit Lateinamerikas Plantagenbesitzer ihre Produkte hier losschlagen könnten. Und die Mercosurländer wären im Gegenzug dazu gezwungen, die hohen Schutzzölle zu senken, damit die europäische Industrie dort eine Chance hätte.
Europa versucht sich gern als der sympathischere Partner anzubieten, dem es nicht nur auf knallharte Profite ankommt, sondern auch auf Demokratie, Menschenrechte und kulturelle Beziehungen.
Dass dem nicht so ist, zeigt der EU-Lateinamerikagipfel derzeit. Wenn es um ideelle Ziele geht, ist bisher vor allem die Zivilgesellschaft als treibende Kraft hervorgetreten. Kein Wunder daher, dass es auf dem Gegengipfel zur großen EU-Lateinamerikakonferenz in Wien um Menschenrechte und Gegenmodelle zur neoliberalen Globalisierung geht. Hier sind erheblich mehr Empathie und gemeinsames Interesse zu spüren als auf der offiziellen diplomatischen Großveranstaltung.
Für die europäische Linke, die sich in früheren Jahrzehnten für die politischen Sozialrevolutionen in Kuba, Chile und Nicaragua oder für die Zapatisten in Mexiko begeisterte, ist Lateinamerika neuerlich zum Hoffnungsgebiet geworden. Gesellschaftliche Umbrüche finden dort im Zeitraffer statt. Die vom Wahlvolk erzwungene Linkswende von Venezuela bis Uruguay und Bolivien ist die logische Reaktion auf das Scheitern der Markt- und Privatisierungseuphorie.
Selbst die Weltbank hat in ihrem jüngsten Bericht anerkannt, dass die wachsende soziale Ungleichheit das größte Entwicklungshindernis ist. Europas Politik sollte diese Chance nutzen, um mit Lateinamerika eine Achse des Guten zu bilden, die nachhaltiges Wirtschaften, soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte zur Grundlage der internationalen Beziehungen macht.

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